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Der etwas andere Aufstieg - Erinnerungen eines Veteranen

Wir alle sitzen da und warten. Nur noch wenige Minuten bis zum letzten Match der Saison. Für unser Team ist es der wichtigste Match der ganzen Spielzeit. Er wird darüber entscheiden, ob wir die Meisterschaft gewinnen und aufsteigen werden. Nur einer fehlt noch, damit wir mit der Matchbesprechung beginnen können – der Captain.

 

Wir schreiben das Jahr 1992. Es ist erst meine zweite Saison bei Vertex Biel und damit auch meine zweite Saison als Unihockeyspieler. Tatsächlich habe ich meine Liebe zu dieser Sportart eher spät entdeckt, mit 21 Jahren erst, als ich mich auf meine Lehrabschlussprüfungen vorbereitete. Doch mir ist es leicht gefallen die notwendigen Fertigkeiten zu erlernen, und so bin ich schnell zu einer Stütze meines Teams geworden.

 

Viele schöne Erinnerungen verbinde ich mit dieser Zeit. Eine davon, eine meiner liebsten, ist eben dieser Sonntag im Frühjahr 1992. Unsere Mannschaft schaut auf eine sehr erfolgreiche Saison zurück. Vor dem letzten Spieltag teilen wir uns den ersten Platz punktgleich mit unserem hartnäckigsten Widersacher aus dem Kanton Fribourg – leider bin ich mir nicht mehr ganz sicher, welches Team genau es war. Der Vorteil ist auf Ihrer Seite, denn sie haben ein deutlich besseres Torverhältnis als wir.

 

Und so sitzen wir nun in der Garderobe und warten auf unseren Captain. Unser erstes Spiel haben wir knapp gewonnen. Unsere Gegenspieler dagegen hat seine beide Spiele des Tages souverän für sich entschieden. Wir werden also in unserem zweiten Spiel gefordert sein, es sehr hoch gewinnen müssen. Und das gegen einen unbequemen Gegner wie den Unihockey Club Tramelan. Alle warten angespannt auf die Matchbesprechung. Wo bleibt denn nur unser Captain?

  

Der hat Kurioses zu berichten, als er endlich zu uns in die Garderobe zurückkommt. Der Schiedsrichter, kein Unbekannter, wird er doch von Sporting Port aus dem Nachbardorf gestellt, hat ihn darüber informiert, dass Tramelan lediglich mit einem Torhüter und zwei Feldspielern antreten wird. Heutzutage hätte dies vornweg einen Forfait-Sieg für uns bedeutet. Gemäss den offiziellen Spielregeln muss ein Spiel abgebrochen werden, wenn eine Mannschaft nicht mehr als drei Spieler und einen Torhüter mitbringt. 1992 aber ist es noch zulässig, mit nur zwei Feldspielern anzutreten.

 

Was sich nun zunächst wie ein Glücksfall anhört stellt sich bei näherer Betrachtung jedoch als eine heikle Situation heraus. Es bedeutet nämlich, dass das Spiel abgebrochen wird, wenn Tramelan auch nur eine Zwei-Minuten-Strafe erhält. Das Team hätte dann nur noch einen Spieler auf dem Feld, was auch damals nicht gestattet gewesen ist. Deshalb impft uns unser Trainer nachdrücklich ein, sie auf gar keinen Fall zu provozieren, denn ein Spielabbruch liegt nicht drin. Zur Erinnerung, wir müssen das Spiel hoch gewinnen, um den Aufstieg zu realisieren. Ein Forfait-Sieg gibt aber nur fünf Tore.

 

Und so plätschert das Spiel vor sich hin. Wir sind stets darauf bedacht, nicht zu grob in die Zweikämpfe zu steigen, sie müssen ihre Kräfte einteilen. Zur Pause führen wir lediglich mit einigen Toren Vorsprung. In der zweiten Hälfte zahlt sich unsere Geduld jedoch aus. Die Kräfte schwinden bei den Spielern aus dem Berner Jura zusehends und das Toreschiessen wird einfacher. Die Freiburger, die das Spiel natürlich von der Tribüne aus mitverfolgen, haben keine Freude am Spielverlauf und tun dies mit lauten Buh-Rufen kund. Ich selbst habe auch immer weniger Spass, je länger das Spiel dauert, und setzte deshalb öfters Einsätze aus. Es ist nicht dasselbe, wenn der Gegner nicht mehr mithalten kann. Zum Schluss gewinnen wir die Partie mit 36:9, was uns selbstverständlich den Aufstieg sichert.

 

Dieser wird natürlich mit einem Bier an der Buvette (das gibt es zu dieser Zeit noch!) gefeiert. Der Aufstieg kommt allerdings alles andere als erwartet. Wir wissen, es würde nicht einfach werden, eine Spielklasse höher. Wir würden die erfolgreichen Zeiten vermissen. Das ist der Zeitpunkt, als einer mit der Idee ankommt, den Sieg zu feiern, indem wir nach Hause wandern. So können wir den Aufstieg auf eine Art feiern, die wir nicht so schnell vermissen würden.

 

Wir laufen also um 18:30 Uhr in Wohlen bei Bern, wo das letzte Saisonturnier ausgetragen worden ist, los in Richtung Seeland. Google gibt für diese Strecke eine Marschzeit von knapp sechs Stunden – 5 h 48 min um genau zu sein – an. Doch Google gibt es zu dieser Zeit noch nicht und so ziehen wir unbekümmert los, ohne uns um die Ankunftszeit zu kümmern. Besonders genau wäre die Zeitangabe sowieso nicht gewesen, denn schon beim ersten Restaurant mussten wir erneut einkehren, um unsere Tanks für den langen Marsch aufzufüllen.

 

Um den Weg etwas abzukürzen, entscheiden wir uns, die Abkürzung durch den Wald zu nehmen. Bald dunkelt es aber ein und der Marsch durch das dichte Unterholz gerät zu einem wahren Abenteuer. Wohlgemerkt, wir sind alle nüchtern, des es ist bei dem einen Bier an der Buvette geblieben. Dennoch ist es eine Herausforderung, denn an Taschenlampen hat selbstverständlich niemand gedacht und Handys mit Licht gibt es 1992 noch nicht.

 

Nach langer Wanderung kommen wir schliesslich in Lyss an. Wir haben nun keine Lust mehr, weiter nach Biel zu laufen. Der Vater eines Kollegen fährt uns das letzte Teilstück nach Biel, wo mein treues Gefährt bereits auf mich wartet.

 

Die nächste Saison in der ersten Liga verläuft nicht mehr so erfolgreich. Zwar sind wir Mitte Saison punktgleich mit dem Achtplatzierten, werden jedoch für die Rückrunde gesperrt, weil unser Schiedsrichter durch die Prüfung fällt. Im darauffolgenden Sommer fusionieren wir mit Sporting Port, die ja an unserem Schicksalstag den Schiedsrichter stellten. Dieser Zusammenschluss kommt überraschend, denn unsere beiden Clubs waren lange Jahre Erzfeinde gewesen. Jedenfalls erwächst aus den beiden Vereienen Vertex Port wird, wo ich weitere schöne Jahre verbringen darf.

 

Nach einigen weiteren Jahren beim UHC Tramelan bin ich schliesslich zu den Cobras – damals noch UHC Grenchen Aegerten – gestossen. Leider habe ich mit der Mannschaft nie Erfolge feiern können, wie ich sie mit den Vorgängervereinen hatte. Trotzdem bin ich hängen geblieben. Ich engagiere mich heute im Vorstand der Cobras. Meine nächste Herausforderung ist die Organisation des Heimturniers. Wir sehen uns dort. Auf ein Bier und die guten alten Zeiten.

 

Autor: Mirco Ory und Rolf Rosé

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 8 des Vereinsheftes Cobras Aktuell erschienen.